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 | 08.03.2022

 

Oconomy und Finance – Interview mit unserem Sustainable Finance Experten Matthias Bönning

 

Wie hoch ist der ökonomische Wert der Ozeane?

 

Ozeane haben einen enormen ökonomischen Wert: Die jährliche Bruttowertschöpfung wird derzeit konservativ auf 2,5 Billionen US-Dollar geschätzt. Bis 2030 soll sie auf 3 Billionen US-Dollar anwachsen.
Und auch Investitionen zur nachhaltigen Transformation von Unternehmen der Blue Economy können laut einer Studie des High Level Panel for a Sustainable Ocean Economy signifikante Erträge generieren: Der Wert einer Investition wird sich innerhalb von 30 Jahren im Durchschnitt mindestens verfünffachen – wenn man die positive Wirkung der Investition auf die globalen Ökosysteme und soziale Effekte einbezieht.

 

Welche Rolle spielt der Schutz der Ozeane derzeit bei Unternehmen und Investoren?

 

Anders als andere Sustainable Development Goals der Vereinten Nationen spielt das SDG 14 – „Leben unter Wasser“ – bislang eine klar untergeordnete Rolle in den Strategien von Unternehmen und Investoren.
Die größten wirtschaftlichen Profiteure der Weltmeere sind derzeit Sektoren wie die Öl- und Gasförderung, die Container-Schifffahrt, die Fischerei und der Tourismus. Leider haben die meisten Unternehmen in diesen Branchen nach wie vor eine ausgesprochen schädliche Wirkung auf die Gesundheit der Meere.
Laut ScienceAdvances vereinigen die größten 100 transnationalen Unternehmen der Ocean Economy („Ocean 100“) 60 Prozent aller Umsätze in diesem Bereich – eine beachtliche Konzentration. Gleichzeitig halten wenige einflussreiche Investoren substanzielle Anteile an diesen Unternehmen: Nach einer Analyse von Capital Monitor entfielen im Mai 2021 allein ca. 25 Prozent der Aktien der Ocean 100 auf drei US-Investoren: Vanguard, BlackRock und State Street.
Dies sind im Grunde gute Voraussetzungen, um über den Druck des Kapitalmarkts auf die Umsetzung anspruchsvoller Nachhaltigkeitsstandards in den jeweiligen Branchen zu dringen. In der Praxis sind die konsequente Einflussnahme von Investoren oder ein Divestment aber immer noch eine Randerscheinung, kurzfristiges Gewinnstreben ist nach wie vor der weitaus stärkere Treiber.
Auch Versicherungen können einen maßgeblichen Beitrag leisten, indem der Zugang zu Versicherungslösungen für schädliche Aktivitäten beendet oder an Bedingungen, die negativen Auswirkungen signifikant zu reduzieren, geknüpft wird. Auch dies ist in der Praxis bislang nicht im großen Stil zu beobachten.

 

Welche Geschäftsmodelle werden zukünftig an Bedeutung gewinnen?

 

Die Vielzahl von schädlichen Einflüssen auf die Weltmeere und der daraus entstehende Handlungsdruck, Maßnahmen zu deren Schutz zu ergreifen, eröffnen in ganz unterschiedlichen Bereichen neue Marktchancen. Beispiele:

· Energie: Betrieb von und Technologie für Offshore-Windenergie, Wellen- und Gezeitenkraftwerke

· Transport und Tourismus: emissionsarme oder -freie Treibstoffe und Antriebstechnologien für Schiffe – in Bezug auf Luft- und Geräuschemissionen

· Häfen: Ausbau von Infrastruktur zur Nutzung von Landstrom und Entsorgung von Abfällen

· Nahrungsmittel: nachhaltiger Betrieb von Aqua-Kulturen, Nutzung alternativer Proteinquellen und Einsatz von Fangmethoden, die den Beifang und die Zerstörung der Meeresböden auf ein Minimum reduzieren

Aber auch für landbasierte Industrien ergeben sich Investitionsmöglichkeiten zum Schutz der Meere, etwa der Ausbau von Kläranlagen oder eine konsequente Abfall- und Kreislaufwirtschaft, um beispielsweise den Eintrag von Plastik ins Meer zu verhindern.

 

Gibt es positive Signale vom Finanzmarkt?

 

Der größte Hebel des Finanzmarktes zum Schutz von Meeren liegt darin, schädlichen Aktivitäten finanzielle Mittel zu entziehen und diese in nachhaltigere Alternativen und Innovationen umzuleiten.
Einige Entwicklungsbanken finanzieren bereits Projekte zum Schutz der Meere. Bei einem geschätzten jährlichen Investitionsbedarf von 175 Milliarden US-Dollar zur Erreichung von SDG 14 übersteigt dies aber die finanziellen Möglichkeiten dieser Banken. Um für private Investitionen interessant zu sein, müssen allerdings die Rahmenbedingungen stimmen: so fehlen bei vergleichsweise hohen Risiken und geringen Renditen häufig die Anreize für Investoren. Zudem sind die verfügbaren Finanzprodukte noch begrenzt. Auch der Wissensstand hinsichtlich der Wirkungszusammenhänge in der Ocean Economy und der damit verbundenen Chancen und Risiken ist bei Investoren häufig noch wenig ausgeprägt.
Erste Abhilfe schaffen supranationale Regelwerke, etwa die Sustainable Blue Economy Finance Principles der UNEP FI, die eine praktische Hilfe für Investoren beinhalten, welche Aktivitäten bei Investments bevorzugt bzw. gemieden werden sollten, oder auch die EU-Taxonomie mit ihrem Do No Significant Harm Principle. Auch die Weltbank-Tochter IFC hat Richtlinien für Blue Economy aufgestellt. Dazu kommen internationale Initiativen zum Schutz der Meere wie zum Beispiel die, die Anfang Februar 2022 von zahlreichen Staaten auf dem One Ocean Summit in Frankreich ins Leben gerufen wurden.
Auch einige Asset Manager und Private-Equity-Häuser haben bereits Blue Economy Fonds und Impact-Investmentmöglichkeiten aufgelegt. Da Meeresschutz viele Überschneidungen mit Klimaschutz aufweist, wurden analog zu bereits etablierten klimabezogenen Finanzinstrumenten auch erste sogenannte Blue Bonds und Blue Loans auf den Markt gebracht, also Anleihen bzw. Kredite, deren Finanzmittel zweckgebunden für Projekte zum Schutz der Meere eingesetzt werden. Insgesamt befindet sich der Markt aber noch ganz am Anfang, die notwendigen Finanzmittel systematisch in Blue-Ocean-Projekte umzuleiten.