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 | 08.06.2022

 

Tag der Ozeane – Vor der eigenen Meeres-Haustür kehren

 
Warum es dezidiertes Handeln im Bereich Kampfmittel-Beseitigungsmanagement braucht
 

Als Wirtschaftspartner des Deutschen Ozeandekadenkomitees liegt uns der Schutz der Ozeane am Herzen.

Heute ist Tag der Ozeane und heute vor einer Woche diskutierten wir im Rahmen der Ocean Decade Laboratories Satellite Activity "A Productive Ocean" über die Chancen, die uns die Ozeane bieten aber auch die Bedrohungen, denen wir sie aussetzen.
Eine oberflächlich unsichtbare, aber ernste Bedrohung stellen die 1.600.000 Tonnen Kriegsmunition vor unserer Haustür in Nord- und Ostsee dar. Wer diese Zahl nicht greifen kann, stelle sich einen mit Munition beladenen 2500 km langen Güterzug vor.

Der Sprengstoff gefährdet die Wirtschaft, indem es beim Bau von Offshore-Windparks aufgrund von Munitionsentdeckung zu Verzögerungen kommt.
Tier sowie Mensch gefährdet er, wenn die Metallhüllen der Munition rosten und das TNT freigesetzt wird. Direkt vor der Kieler Küste bspw. liegt das Munitionsversenkungsgebiet Kolberger Heide. In diesem Sperrgebiet liegen rund 35.000 Tonnen Seeminen und Torpedos in höchstens zwölf Meter Wassertiefe und Sichtweite zum Strand. Im Rahmen des Forschungsprojekts Daimon (Decision Aid for Marine Munitions) konnte ein internationales Wissenschaftsteam nachweisen, dass dort giftige Stoffe aus den Munitionskörpern austreten und von ansässigen Organismen aufgenommen werden. Spuren wurden u. a. in Muscheln und Fischen nachgewiesen. Muscheln bspw. reicherten Abbauprodukte des Sprengstoffs TNT an. Die hochgiftigen Stoffe schädigen das Erbgut, was zu Tumoren führen kann. Die Kliesche, ein beliebter Speisefisch aus der Familie der Schollen, hat im Munitionsversenkungsgebiet Kolberger Heide mehr Lebertumore als anderswo.


Liegen lassen, sprengen oder bergen?

Wird die Munition liegen gelassen, wird in Kauf genommen, dass die Substanzen austreten und das Ökosystem vergiften.
Wird die Munition geborgen, besteht das Risiko, dass die porösen Metallkörper zerbrechen oder unkontrolliert explodieren.
Wird die Munition ohne weitere Schallschutzmaßnahmen gesprengt, setzt das den Meeresbewohnern – allen voran lärmempfindlichen Schweinswalen – stark zu. 2019 wurden nach Munitionssprengungen vor Rügen 180 Schweinswal-Kadaver an der deutschen Ostseeküste gefunden. Bei einer angenommenen Population von nur noch 500 Tieren in der mittleren Ostsee wiegt dieser Verlust schwer.

Was es für ein gutes Kampfmittelbeseitigungsmanagement braucht ist:

  • Schutzmaßnahmen für Tiere (sogenannte Blasenschleier – Schlauchring mit sprudelnden Luftblasen um Munitionskörper, der Ausbreitung der Schockwellen deutlich reduzieren soll – oder das Aussenden akustischer Störungen schaffen nur bedingt Abhilfe)
  • Weniger kosten- und zeitintensive Bergungs- / Beseitigungsmethoden
  • Kollaboration zwischen allen Anspruchsgruppen

Zweitem widmet sich das sog. Basta (Boost Applied munition detection through Smart data inTegration and AI workflows) Projekt des Geomar Helmholtz-Zentrums für Ozeanforschung in Kiel. Mit einem hochauflösenden 3D-Echolot und Unterwasserfahrzeugen sollen Terrains systematisch abgesucht werden. Die gesammelten Daten werden zusammen mit historischen Informationen in eine Datenbank eingespeist und mithilfe künstlicher Intelligenz ausgewertet.