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 | 12.02.2024

Prof. Dr. Dr. Peter Höppe: Warum

ich jetzt auf die COP 30 hoffe

Visualisierung: European Union, Copernicus Climate Change Service Data

Am 8. Februar 2024 legte der EU-Erdbeobachtungsdienst Copernicus alarmierende Zahlen vor: Erstmals lag die Erderwärmung zwölf Monate in Folge dauerhaft über 1,5 Grad Celsius im Vergleich zum vorindustriellen Zeitalter (1850-1900). Grund genug für uns, unseren Senior Experten für Klimawandel und Umweltrisiken Prof. Dr. Dr. Peter Höppe zu bitten, nochmals auf die letzte Klimakonferenz, COP 28, zurückzublicken. Wie er die Beschlüsse mit etwas Abstand interpretiert, welchen neuen Anstrich er der COP gerne verpassen würde und warum er die COP 29 am liebsten überspränge, hat er uns erzählt:

 

Klimatourismusziel COP

Das Ergebnis der Weltklimakonferenz COP 28 (28. Conference of the Parties der UN Klimakonvention), die im vergangenen November/Dezember in Dubai stattgefunden hat, empfinde ich als sehr bescheiden. Ich sage bewusst nicht „enttäuschend“, denn mehr habe ich tatsächlich nicht erwartet. Die COP fand in einem autokratischen Land statt, in dem Umweltschutz keine hohe Priorität hat, der Verhandlungsführer ist gleichzeitig CEO einer Erdölfirma. Es hatte sich daher bereits abgezeichnet, dass dort keine Durchbrüche zu mehr Klimaschutz erzielt werden. Und damit nicht genug: Im Jahr davor tagten die Teilnehmenden in Ägypten, nächstes Jahr kommen die Klimaverhandler:innen in Aserbaidschan zusammen, wo ein großer Teil des Bruttoinlandsprodukts durch fossile Rohstoffe generiert wird.

Die Art und Weise, wie sich die COPs in den letzten Jahren entwickelt haben, gibt großen Anlass zur Sorge. Im vergangenen Jahr sind nach Angaben des Veranstalters ca. 85.000 Teilnehmende zur COP nach Dubai gereist, von denen die überwiegende Mehrzahl gar nicht aktiv an den Verhandlungen beteiligt war. Wir müssen hier schon fast von Klimatourismus sprechen, und das kann der Sache nicht dienlich sein. Ich plädiere dafür, die COP nur noch alle 2-3 Jahre abzuhalten und dazwischen Verhandlungen der Hauptemittenten von Treibhausgasen anzuberaumen. Das wären dann nur eine Handvoll Länder. Die Länder, die hier nicht aktiv dabei sind, könnten Beobachter entsenden, wodurch sie in den Prozess eingebunden wären.

Schließlich müsste die gesamte Organisation einer COP meiner Meinung nach neu gedacht werden. Aus vier benannten Weltregionen stellt immer abwechselnd eine Region den Veranstaltungsort. Die Anzahl der Bewerberländer ist überschaubar, und wer den Zuschlag erhält, hat auch das Recht, die Verhandlungsführung zu übernehmen. Viel sinnvoller wäre es, wenn die Vorsitzenden in der UNFCCC die Sitzungsleitung innehätten, nicht das Gastgeberland. Das würde auch für mehr Kontinuität sorgen.

Phase out für Fossile

Das Thema, das in der COP-Berichterstattung von den Medien am häufigsten aufgegriffen wurde, war der Ausstieg aus fossilen Brennstoffen. Sie standen zum ersten Mal explizit im Zentrum der Verhandlungen und wurden in den Abschlussprotokollen erwähnt. Merkwürdig, denn es ging ja bislang bei allen COPs um fossile Energieträger. Woher kommt denn sonst der Großteil der Treibhausgase, welche die Klimakrise verursachen? Sie waren der berühmte Elefant im Raum, der nur nie direkt zur Sprache gebracht wurde. Nun wurde also zum ersten Mal der „Schuldige“ beim Namen genannt. Ob wir nun vom Ende der Fossilen oder von einer Abkehr von den Fossilen sprechen, ist meiner Meinung nach nicht wirklich entscheidend. Es war schon vorher klar, dass die Rolle der Fossilen immer kleiner werden muss, um die Pariser Ziele zu erreichen. Einen positiven Effekt sehe ich hier aber doch: Die fossilen Brennstoffe haben es namentlich in die Protokolle geschafft. Mehr als 190 Ländern ist es wichtig, dass man das Kind beim Namen nennt. Das hat Signalwirkung, vor allem für Investoren. Immerhin handelt es sich hier um ein weltweit verabschiedetes Verhandlungsprotokoll. Sollte man als Investor noch auf eine Auslauftechnologie setzen? Es ergibt für mich daher absolut Sinn, dass die Fossilen erwähnt wurden, nicht allein wegen der Emissionsziele, sondern auch, und vor allem, wegen der Wirkung auf Investoren.

Natürlich wäre es wünschenswert gewesen, ein Ende der Exploration fossiler Quellen festzulegen und damit dem Ausbau neuer Quellen für Treibhausgasemissionen Einhalt zu gebieten. Es ist schon absurd: Das Jahr, in dem die Fossilen endlich als das benannt wurden, was sie sind – ein Relikt der Vergangenheit – war gleichzeitig das Jahr, in dem in den USA so viel Erdöl und Erdgas gefördert wurde wie nie zuvor. Ich frage mich, ob die aktuell von Copernicus veröffentlichten, alarmierenden Zahlen - wären sie einige Monate früher gekommen - ein anderes COP-Ergebnis zuwege gebracht hätten…

Loss & Damage: Kein Durchbruch, aber erste Schritte

Ein Thema, das mir persönlich sehr am Herzen liegt und weshalb ich 2005 zusammen mit einigen Wissenschaftler:innen, NGOs und Versicherern den gemeinnützigen Verein Munich Climate Insurance Initiative (MCII) gegründet habe, ist „Loss & Damage“. Unser Ziel ist es, Maßnahmen zu erarbeiten, wie man die zunehmend durch den Klimawandel bedingten Schäden und Verluste in ärmeren Ländern abfedern kann, z.B. durch versicherungsbasierte Lösungen wie eine Basisversicherung für die Menschen in besonders betroffenen Ländern. Das ließe sich durch einen Fonds erreichen, aus dem die Implementierung solcher Versicherungslösungen aber auch Prämiensubventionen finanziert werden könnten. Seither hat sich MCII auf sämtlichen COPs im Dialog mit den Verhandlungsparteien für solche Lösungen eingesetzt.

Zum ersten Mal wurde der Begriff „Loss & Damage“ 2010 auf der COP 16 in Cancun diskutiert und ins Abschlussprotokoll aufgenommen. Bei der COP in Ägypten 2022 wurde die Schaffung des „Loss and Damage Fonds“ endlich beschlossen. Dass Mittel in diesen Fonds fließen sollen, um L&D in ärmeren Ländern abzufedern, steht also fest, allein die Ausgestaltung ist noch immer nicht abgeschlossen. Immerhin wurde bei der COP 28 gleich zu Beginn ein positives Signal gesetzt, weil sich mehrere Länder bereit erklärten, in den Fonds einzuzahlen. Wer aber den Fonds managen soll, welches Land wie viel Geld einzahlen sollte, wer die Unterstützung nach welchen Kriterien erhält, dazu gibt es leider noch keine Klarheit.

Trotzdem werte ich es als positiv, dass Deutschland 100 Millionen Dollar zugesichert hat. Zusammen mit weiteren ca. 100 Mio. Dollar aus den VAE, 108 Mio. jeweils von Frankreich und Italien, 75 Millionen aus UK und 50 Millionen aus Dänemark sowie mehreren kleineren Beträgen, u.a. aus der EU (27 Mio.), Irland (27 Mio.) Norwegen (25 Mio.) den USA (17,5 Mio.), Kanada (12 Mio.), Japan (10 Mio.) und Slowenien (1,5 Mio.) ergibt sich eine Summe von rund 700 Mio. Dollar. China hat keine Zahlungen zugesagt. Damit der Fonds aber sinnvoll arbeiten kann, wären Berechnungen zufolge etwa 400 Milliarden Dollar vonnöten. Die zugesagten Mittel betragen also nicht einmal 0,2% der Summe, die es bräuchte, um echte Klimaschutzhilfe zu leisten. Die bisherigen Mittelzusicherungen werte ich deshalb mehr als ein Zeichen, einen ersten Schritt in die richtige Richtung, denn als Durchbruch, zumal das Geld noch nicht verwendet werden kann. Der Fonds ist derzeit provisorisch an die Weltbank angegliedert. Nun muss überlegt werden, wo er zukünftig beheimatet sein soll. MCII ist ein Think Tank und kann diese operative Aufgabe nur mit der in vielen Jahren gesammelten Erfahrung begleiten. Am besten wäre wohl, wenn eine große internationale (UN-)Organisation den Fonds managen würde.

Mittlerweile gibt es im Rahmen der Klimaverhandlungen eine ganze Reihe von Fonds. Ein Problem ist, dass diese nicht miteinander vernetzt oder koordiniert sind. Häufig führen COP-Gastgeberländern extra einen Fonds ein, der mit der COP und mit dem ausrichtenden Land assoziiert werden soll. Der Loss & Damage Fonds ist der letzte in dieser Reihe. Es wäre wünschenswert, wenn alle parallel geführten Fonds unter einen Hut gebracht würden, um Synergien zu nutzen und Ineffizienz zu vermeiden.

Haben wir die Rechnung ohne China gemacht?

Eine grundlegende Frage bei einem Fonds ist natürlich, festzulegen, wer wie viel einzahlen soll. Und da Schäden und Verluste durch den menschengemachten Klimawandel kompensiert werden, muss berechnet werden, welche Regionen bzw. Länder hier kumulativ die Hauptverantwortung tragen. Welchen Zeitpunkt sollten wir als Startdatum für die Berechnung heranziehen? Die industrielle Revolution? Dann würden die Emissionen der USA mit ca. 25%, die Europas mit etwa 15-18% (je nachdem ob Großbritannien mit einberechnet wird) und Chinas Emissionen mit etwa 14% zu Buche schlagen. Falls wir den Berechnungszeitraum nach vorne verlagern, z.B. auf das Jahr 1990, erhöht sich der Anteil Chinas signifikant.

China trat bei der COP 28 in der Gruppe der Entwicklungsländer auf den Plan. Diese haben keinerlei Verpflichtung, ihre Emissionen zu mindern oder in den Fonds einzuzahlen. Wieder einmal nimmt die Volksrepublik hier leider eine unrühmliche Rolle ein, zumal sie sich auch nicht bereit erklärte, die Vereinbarung zu unterzeichnen, nach der die Erneuerbaren Energien bis 2030 verdreifacht werden sollen. Die chinesischen Delegierten wollen sich weiterhin zu nichts verpflichten.

Mein Rat wäre es, sich von der Haltung Chinas nicht beirren zu lassen, sondern so zu tun, als wäre China bei den willigen Ländern mit dabei. Wenn die anderen Länder mit gutem Beispiel vorangehen, bekommt China irgendwann Reputationsprobleme. Deutschland sehe ich übrigens nicht mehr als eines der Länder, die eine Vorreiterrolle im Klimaschutz einnehmen. Hier gibt es fortschrittlichere Länder wie Dänemark, Estland oder die Philippinen. Laut Climate Change Performance Index (CCPI) von Germanwatch liegen diese Länder hinsichtlich ihrer Klimaschutzambitionen deutlich vor Deutschland, das im aktuellen Ranking auf Platz 14 rangiert, noch hinter Ländern wie Indien, Marokko oder Chile. Kanzler Scholz, der in Dubai den „Klimaclub“ initiiert hat, kann sich also kein gutes Zeugnis ausstellen. Wenn man eine Initiative führen will, sollte man selbst ein Vorbild sein.

Resümee: Kleine Erfolge und große Hoffnung für 2025

Ein altes Problem der Klimakonferenzen ist auch auf der vergangenen COP wieder zu Tage getreten: Der Grundsatz der Einstimmigkeit. Die Tatsache, dass alle teilnehmenden Länder zustimmen müssen, führt zu wachsweichen Beschlüssen. Leider ist es sehr schwer, von der einmal beschlossenen Notwendigkeit zur Einstimmigkeit wieder wegzukommen.

Insgesamt empfand ich die COP 28 als einen Schlag ins Gesicht der kleinen Inselstaaten und Entwicklungsländer, die ihre Probleme zunehmend als nicht ernst genommen wahrnehmen. Dennoch: Selbst von erdölproduzierenden Ländern werden fossile Brennstoffe mittlerweile als Auslaufmodell betrachtet. Das werte ich als Erfolg. Außerdem senden die Diskussionen um die Fossilen ein wichtiges Signal in die Wirtschaft. Auch das "Reaching the Last Mile Forum", die erste COP-Veranstaltung speziell zum Thema Klimawandel und Gesundheit, ist ein erfreulicher Vorstoß. Dort sagten globale Geber über 777 Millionen US-Dollar zu, um Tropenkrankheiten (NTD) zu bekämpfen und das Leben von 1,6 Milliarden Menschen zu verbessern. Endlich rückt ein Problem in den Fokus, mit dem wir schon heute zu kämpfen haben: Die Auswirkungen des Klimawandels auf die Gesundheit der Menschen.

Meine Hoffnungen setze ich aber nicht in die COP 29, sondern in die übernächste COP, die 2025 in Brasilien stattfinden wird. Ich habe das Gefühl, Präsident Lula nimmt die Sache sehr ernst. Er stellt schon jetzt die Weichen, so dass die COP 30 endlich einen erhofften Durchbruch, hin zu konkreteren und ambitionierteren Verpflichtungen der hauptsächlichen Verursacherländer des Klimawandels bringen könnte.

Die aktuell von Copernicus vorgelegten Daten sprechen eine deutliche Sprache: Es muss den Regierenden nun endlich bewusst werden, dass eine schnellere Reduzierung von Treibhausgasemissionen unumgänglich ist.