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 | 03.06.2024

Internationaler Tag des Kindes: Kindertauglichkeit in Gefahr 

Zwei Drittel der für Kinder relevanten globalen Nachhaltigkeitsziele in Gefahr, bis 2030 nicht erreicht zu werden

 

Von Alexandra Namyslowski

 

Der Internationale Tag des Kindes ist ein in über 145 Staaten der Welt begangener Feiertag, um auf die besonderen Bedürfnisse der Kinder und ihre Rechte aufmerksam zu machen. In den sozialistischen Ländern wurde der Kindertag als „Kampftag für die glückliche und friedliche Zukunft aller Kinder“ bezeichnet. Und so wie es aktuell aussieht, werden wir sehr für diese Zukunft kämpfen müssen, denn zwei Drittel der für Kinder relevanten globalen Nachhaltigkeitsziele sind laut UNICEF-Bericht nicht auf dem Weg, bis 2030 erreicht zu werden. „Vor sieben Jahren verpflichtete sich die Weltgemeinschaft, Armut, Hunger und Ungleichheit zu bekämpfen und sicherzustellen, dass alle Menschen insbesondere Kinder Zugang zu einer qualitativen Grundversorgung haben. (...) Wenn die Ziele nicht erreicht werden, wird dies Folgen für das Leben und Wohl der Kinder und die Nachhaltigkeit unserer Welt haben. Wir müssen die Weltgemeinschaft wieder auf Kurs bringen. Das beginnt damit, dass wir dafür sorgen, dass Kinder im Mittelpunkt aller zu beschleunigenden Maßnahmen zur Erreichung der SDGs stehen.“ so Catherine Russell, Exekutivdirektorin vom Kinderhilfswerk UNICEF.  

 

Ein Kind, das in Deutschland zur Welt kommt, hat eine 25-Mal höhere Überlebenschance als ein Kind in Subsahara-Afrika

Um heranwachsenden Generationen ein gutes Leben zu ermöglichen, muss v. a. gewährleistet werden, dass sie sich mit Wasser, Nahrung, Sanitär- und Wohneinrichtungen, Medizin versorgen können, ihre Rechte zur sexuellen Selbstbestimmung gewahrt werden und sie Zugang zu Bildung haben. Gerade Kriege tragen dazu bei, dass sich der Status dieser Bereiche dramatisch verschlechtert. Darüber hinaus muss sichergestellt werden, dass das Klima ein gutes Leben ermöglicht. Gerade die Bevölkerungen der Länder, die am meisten unter dem Industrienationen-gemachten Klimawandel leiden, können am wenigsten dafür.

Laut UNICEF-Schätzungen starben 2022 rund 4,9 Millionen Kinder vor ihrem fünften Geburtstag: Das sind 13.400 Kinder pro Tag, 560 Kinder pro Stunde, neun Kinder pro Minute – meist aus vermeidbaren Gründen. Es entspricht den knapp vier Millionen Kindern unter fünf Jahren, die 2022 laut Statistischem Bundesamt in Deutschland lebten. Es wäre also vergleichbar mit dem Sterben aller Kinder unter 5 Jahren in Deutschland in dem Jahr.
Zusätzlich sterben jährlich rund 2,1 Millionen Kinder und junge Menschen zwischen fünf und 24 Jahren. Diese Zahlen stammen aus dem jährlichen Bericht der Vereinten Nationen zu Kindersterblichkeit, der sich auf die neuesten verfügbaren Daten stützt; der aktuelle Bericht bezieht sich auf das Jahr 2022. Es sind Schätzungen, mit denen man etwas vorsichtig sein muss, weil es in vielen Ländern keine genauen aktuellen Statistiken oder Erhebungen gibt. Federführend bei diesem Bericht sind UNICEF zusammen mit Expert:innen der Weltgesundheitsorganisation WHO, der Weltbank-Gruppe und der Bevölkerungsabteilung der Vereinten Nationen.
Ein Kind, das in Deutschland zur Welt kommt, hat eine 25-Mal höhere Überlebenschance als ein Kind in diesen Ländern: Niger, Nigeria, Somalia, Tschad, Sierra Leone, Südsudan, Zentralafrikanische Republik, Mali.  

 

Was tun?

Diese Länder sind weit weg. Was können wir da schon tun? Die gute Nachricht: Mit relativ wenig Aufwand bereits sehr viel. Denn wie es Kindern geht – hier und in anderen Teilen der Welt – liegt sehr wohl in unseren Händen. Dazu haben wir 4 Hebel:

Wählen  

Welche Parteien mit welchen Programmen wählen wir demnächst bei der Europawahl? Geben wir Parteien unsere Stimme, die zusammenhangslos „Deutschland zuerst” propagieren und Menschen systematisch benachteiligen, die einfach „Pech hatten” in anderen Ländern geboren zu sein oder die sich für Fairness, Klimagerechtigkeit und Kindertauglichkeit einsetzen? Wir hatten noch nie so viel Auswahl wie jetzt und gleichzeitig war es noch nie so klar, wofür es sich lohnt, sich einzusetzen. Und eins vorweg: Wenn nachhaltigere Parteien durch eine Wahl zum Entscheidungszug kommen, tun sich auch alle leichter beim nächsten Hebel “Bewusst konsumieren”. Denn nachhaltigere Parteien sind mehr darauf bedacht, umweltschädliche Produkte aus dem Verkehr zu ziehen oder zumindest Kennzeichnungspflichten zu erwirken.

Bewusst konsumieren

Bequemlichkeit hat ihren Preis, den wir uns als Gesellschaft nicht mehr leisten können. Ja, es kann mühsam sein  
- zu prüfen, wie “grün” der Strom / das Gas vom Energieversorger wirklich sind
- Lebensmittelverpackung umzudrehen und zu lesen, ob Zutaten enthalten sind, die in ihrer Herstellung / ihrem Anbau Tiere und Menschen gesundheitlich beeinträchtigen (bspw. Palmöl)
- Produkte, die in Plastik eingepackt sind oder aus Plastik bestehen, zu meiden
- ein Kleidungsstück second hand zu suchen, statt es online zu kaufen
- auf (industriell hergestelltes) Fleisch zu verzichten
- Alternativprodukte zu suchen, weil das Lieblingsprodukt von einem Unternehmen hergestellt wird, das negative Umwelt- oder Menschrechtsverletzungsschlagzeilen gemacht hat
Aber es kann auch Spaß machen, rigoros zu sein. Wenn man nämlich einmal sein grundsätzliches Konsumverhalten hinterfragt und umgestellt hat, stehen viele Produkte einfach nicht mehr zur Debatte. Es kauft sich leichter und viel schneller ein. Und auf Dauer sendet die gesunkene Nachfrage auch ein wichtiges Signal an Unternehmen: Danke, reicht.

Unternehmen kindertauglich steuern

Welche Produkte Unternehmen wie herstellen, welche Dienstleistungen sie wem anbieten, woher sie ihre Energie beziehen, wie sie das firmeneigene Mobilitätsverhalten gestalten - das alles liegt in der Hand von Menschen. Und für die Ausgestaltung tragen die Menschen in den Unternehmen eine Verantwortung – besonders Kindern gegenüber. Hier sollte sich jedes Unternehmen fragen, ob es zu einer nachhaltigen Entwicklung im Sinne der Brundtland Kommission (Weltkommission für Umwelt und Entwicklung) von 1987 beiträgt: „Sustainable development meets the needs of the present without compromising the ability of future generations to meet their own needs.“

Unseren Kindern weniger vom Mehr und mehr vom Weniger geben

Kinderversorgung in Deutschland geht – wie in anderen wohlhabenden Industrienationen – mit einer Überversorgung einer: Materiell, aber auch kalorisch. Dieser Überschuss wird auf dem Rücken jener Kinder ausgetragen, die das Pech hatten, in weniger wohlhabenden Ländern geboren worden zu sein. Laut Ernst Böckler, Landesbeirat des Bundes für Umwelt und Naturschutz, verursacht eine Geburt in Europa 160-mal mehr Umweltschäden als eine in Äthiopien. Die durchschnittliche CO₂-Bilanz eines Europäers oder eines Nordamerikaners ist zweihundert Mal größer als die eines Äthiopiers und zwölf Mal größer als die eines Inders (Sarah Diehl, Die Uhr, die nicht tickt, S. 95).

Vor diesem Hintergrund sollten wir unsere Kinder WENIGER mit Produkten und Kalorien überfrachten und ihnen MEHR vermitteln, dass es reines Glück ist, wo man geboren wurde und dass dieses Privileg zu einem nachhaltigen Umgang mit Menschen und Umweltressourcen verpflichtet.