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 | 22.04.2024

 

Earth Day 2024: “Planet vs. Plastics” – Vom Multi-Talent zur tückischen Gefahr

60-prozentige Reduzierung der Produktion ALLER Kunststoffe bis 2040 gefordert

Von Alexandra Namyslowski

 

Seit 1990 findet der Earth Day weltweit am 22. April statt. Mit dem diesjährigen Motto Planet vs. Plastics fordert der internationale Earth Day ein Umdenken und eine 60-prozentige Reduzierung der Produktion ALLER Kunststoffe bis 2040.

Wie konnte das scheinbare Multitalent Plastik so in Verruf geraten?  

Als Mikroplastik werden feste, nicht lösliche, partikuläre und biologisch nicht abbaubare synthetische Polymere von weniger als 5 Millimetern bis 1.000 Nanometern bezeichnet.
Es wird zwischen primärem und sekundärem Mikroplastik unterschieden.  
Zum primären Mikroplastik vom Typ A zählen Partikel, die bei Eintritt in die Umwelt bereits im Größenbereich von Mikroplastik liegen (bspw. Partikel, die in der Kosmetik- und Körperpflegeindustrie eingesetzt werden).  
Als primäres Mikroplastik vom Typ B gelten Partikel, die während der Nutzungsphase entstehen (bspw. Abrieb von Autoreifen, Fasern aus synthetischen Textilien, die beim Waschen ins Abwasser gelangen).  
Zerfallen größere Kunststoffteile (bspw. ins Meer geworfener oder am Strand zurückgelassener Plastikmüll) im Verwitterungsprozess – u. a. durch Wellenbewegung und Sonneneinstrahlung – entsteht sekundäres Mikroplastik.

Kleine Größe, große Probleme

Besonders tückisch sind Mikroplastik-Partikel, die wir mit dem bloßen Auge nicht sehen. Je kleiner die Partikel, umso größer die Gefahr, dass wir sie einatmen und anderweitig zu uns nehmen. Das ist u. a. aus diesen drei Gründen besorgniserregend:

1. Plastikteile neigen dazu die enthaltenen Chemikalien auszulaugen.

2. Sie transportieren Mikroben wie Viren und Bakterien.

3. Forscher beginnen gerade erst zu erforschen, was dies für Organismen bedeutet. Bei Einsiedlerkrebsen beeinträchtigt Mikroplastik ihre Wahrnehmung (Sammeln und Verarbeiten von Informationen) und stört überlebenswichtige Verhaltensweisen. Mikroplastik wurde bereits in menschlichen Mägen, Blut, Lungen und Muttermilch gefunden. Welche Auswirkungen das hat, wird gerade erst erforscht. Sinnvoller, als auf die Antwort zu warten, scheint es aber trotzdem, den Verbrauch von Plastik zu reduzieren und die Entwicklung alternativer Materialien voranzutreiben. Denn bisherige Befunde geben zu denken: So hatten Menschen mit Arterienplaques, die Mikroplastik enthielten, ein etwa viermal höheres Risiko, einen Herzinfarkt oder Schlaganfall zu erleiden, als Menschen mit plastikfreien Plaques.
In einem Versuch wurden Mäuse über einen Zeitraum von 3 Wochen mit Wasser versorgt, das Mikroplastik enthielt. Dabei gelangte das Mikroplastik aus dem Magen-Darm-Trakt ins Gehirn, indem es sich mit Cholesterinmolekülen umgab, die es – ähnlich einem trojanischen Pferd – durch die sonst schwer passierbare Blut-Hirn-Schranke schmuggelte. Je nach Alter der Mäuse sorgte das Mikroplastik für unterschiedliche Veränderungen. Besonders bei älteren Mäusen gab es Verhaltensmuster, die Demenz ähnelten: Die Tiere richteten sich häufiger auf, als ob sie sich orientieren oder etwas suchen würden. Als erstaunlich befand die Forschungsgruppe, wie wenig Plastik nötig ist, um solche Veränderungen zu bewirken.

Weitere Studienergebnisse zu den Auswirkungen von Mikroplastik auf den menschlichen Organismus hat das Team des EarthDay hier bereitgestellt. Einfach mit der Maus über das menschliche Skelett fahren. 

Mikroplastik: Der Gast, der nicht gehen möchte

Jetzt könnte man denken, dass wir in einem Land leben, dass vergleichsweise wenig Plastik verwendet. Das ist aber falsch. Auch unser Lebensalltag ist geprägt von Plastik in allen Formen und Farben. Und selbst wenn wir es ab heute schaffen würden plastikfrei zu leben, haben wir aus drei Gründen trotzdem ein Problem

1. Plastik verschwindet nie wirklich, sondern zerfällt in immer kleinere Teile. Diese kleinen Geschwister sind gefährlicher als die sichtbaren größeren Eltern-Partikel. 

2. Denn Wind und Wasser nehmen diese Partikel in städtischen Gebieten auf und transportieren sie – genauso wie Sahara-Staub in den Amazonas-Regenwald oder zu uns nach Deutschland – selbst in die menschenleersten Gebiete dieses Planeten. Das Mikroplastik Europas hat so schon die Arktis infiltriert. Auch in 11 Nationalparks und Schutzgebieten im amerikanischen Westen konnten Forschende Mikroplastik in Regenwasser- und Luftproben nachwiesen. Dabei machte Mikroplastik aus Quellen wie Polyesterkleidung 66 % des synthetischen Materials in Regenwasser- und 70 % in Luft-Proben aus. 

3. Regen transportiert das Mikroplastik aus der Luft in den Boden. Hier stört es die nächsten wichtigen Kreisläufe, indem es den Verdauungstrakt kleiner Tiere, wie Würmer, verstopft. Das Erdreich wird dadurch nicht mehr gut bewirtschaftet und ist weniger fruchtbar. Die Chemikalien, die auf und in diesen Mikroplastik-Teilen enthalten sind, haben zudem Auswirkungen auf den Boden. So konnten negative Auswirkungen auf die Keimungsrate und das Wachstum von Gras nachgewiesen werden. Plastikfolien-Reste fördern die Kanalbildung und damit den Wassertransport und tragen so zu stärkerer Verdunstung und Austrocknung der Böden bei.   

Was können wir zur Vermeidung von Mikroplastik tun?

1. Wissensstand ermitteln

Zuallererst sollten wir uns vor Augen führen, wie wenig die meisten über dieses wichtige Thema wissen. Die internationale Earth Day Seite bietet hier verschiedene Quiz-Möglichkeiten zu unterschiedlichen Sub-Themen an. Super spannend.

2. Wissen erweitern
Um zu verstehen, welche Auswirkungen das eigene Konsumverhalten auf Wasserverbrauch (Quantität) und -verschmutzung (Qualität) hat, eignet sich bspw. die Wasserampel vom Weltfriedensdienst e. V.

3. Konsumverhalten ändern
Dazu folgende 3 Tipps:

1. Unverpackt einkaufen
Auf dem Wochenmarkt, in Unverpackt-Läden oder nur loses Obst, Gemüse einkaufen. Letzteres geht mittlerweile auch in manchen Discountern.

2. Keine Kleidung aus Kunstfasern kaufen   
Keine Fast Fashion-Textilien kaufen, sondern Second Hand Kleidung ausleihen, Kleidung selber nähen oder nähen lassen. Auf künstliche Fasern verzichten, da freut sich auch die Haut und man braucht weniger Deo.

3. Putzmittel und Kosmetikprodukte dezimieren
Anstatt für jeden “Anwendungsfall” ein Mittel zu horten, lieber nur eine Hand voll Reiniger. Damit lassen sich 99 % aller Reinigungsherausforderungen lösen. Bei der Anwendung auf eine sparsame Dosierung achten, Reinigungsmittel selber herstellen, gemäß Wasser-Härtegrad und nach Verschmutzungsgrad dosieren (Pulver oder Flüssigmittel sind oft besser als überdosierte Tabs).
Und übrigens: Wer auf die Zusatzbelastung des Wassers durch Weichspüler verzichtet, kann sich auch Peelings sparen. Denn die Handtücher sind dann einfach natürlich rau. Und was für Putzmittel gilt, gilt auch für Kosmetika: Dass es bspw. keinerlei Duschgels braucht, um nicht “zu riechen”, zeigt folgender Selbstversuch.

Unternehmen kommt bei der Reduzierung von Plastik die entscheidende Rolle zu  

Nachhaltige Verhaltensänderungen auf individueller Ebene sind wichtig. Nichtsdestotrotz sollte klar sein, dass Unternehmen hier die größere Schlüsselrolle zukommt. Und hier sind nicht nur Unternehmen aus der Verpackungs-, Chemie- oder Textilindustrie gefragt, denn jedes Unternehmen verbraucht Wasser. Wieviel es verbraucht und womit es das belastet, ist entscheidend. Hier müssen Unternehmen spätestens durch die CSRD die Frage beantworten, welchen Einfluss sie durch ihre geschäftliche Tätigkeit auf Wasser haben und welchen Einfluss die Verfügbarkeit und Qualität von Wasser auf ihre geschäftliche Tätigkeit hat.  

Wie wir dem Thema Wasser zu mehr Oberwasser in Unternehmen verhelfen, haben wir hier zusammengefasst.