Nachhaltigkeitsberatung: Close the Eco Gender Gap
Was Geschlecht mit der Zerstörung unserer Lebensgrundlagen zu tun hat und Unternehmen dagegen tun können
Ein Artikel von Alexandra Namyslowski.
Die Umweltkrise und die damit einhergehende Zerstörung unserer Lebensgrundlagen ist menschengemacht. Doch wie stark tragen Männer und Frauen dazu bei? Ein Blick auf schädliche Verhaltensweisen, Ursachen sowie Folgen und Tipps, wie Unternehmen ihnen Herr:in werden können.
Welche Gesichter fallen Ihnen ein, wenn Sie an den Schutz unserer Lebensgrundlagen denken?
Greta Thunberg? Alexandria Ocasio-Cortez? Luisa Neubauer? Die Primatenforscherin Jane Goodall? Vielleicht Tierfilm-Urgestein David Attenborough? Das Absurde: Obwohl den Meisten hier hauptsächlich Frauen in den Kopf kommen, wird ihnen ihre Weiblichkeit oftmals abgesprochen. Sie werden als herrisch, unbequem, nervig, radikalisierend bezeichnet. Attribute, die nicht dem medialen weiblichen Ideal entsprechen. Und trotzdem sind Themen wie die Sorge um unsere Lebensgrundlagen, der Schutz unserer Mitwelt, nachhaltiger leben, in unserer Gesellschaft vor allem eins: Frauensache. Denn Frauen verhalten sich im Durchschnitt weniger umweltschädigend, leiden aber zugleich stärker unter den Folgen der Zerstörung unserer Lebensgrundlagen. Genannt wird das Phänomen „Eco-Gender-Gap“ – angelehnt an „Gender-Pay-Gap“: die Geschlechter-Differenz beim Einkommen. In unserer vierteiligen Artikel-Serie werfen wir einen Blick auf schädliche Verhaltensweisen, ihre Ursachen sowie Folgen und Tipps, wie Unternehmen ihnen Herr:in werden können.
Teil 1: Inwieweit zerstören mehr Männer als Frauen unsere Lebensgrundlagen?
Dem unterschiedlichen Verhalten von Frauen und Männern liegen unterschiedliche Wahrnehmungen und dementsprechende unterschiedliche Konsum-Muster zugrunde.
Unterschiedliche Wahrnehmungen mit weitreichenden Konsequenzen
Die Ergebnisse des Gender Equality Index der EU unterstreichen ein stärkeres Bewusstsein und Verantwortungsbewusstsein für Klimaschutz bei Frauen:
Quelle: European Institute for Gender Equality
Der Gender Equality Index 2023 konzentriert sich auf den sozial gerechten Übergang des europäischen Green Deals und analysiert folgende Aspekte: Öffentliche Einstellungen und Verhaltensweisen zu Klimawandel und Klimaschutz, Energie, Verkehr, Entscheidungsfindung.
Auch die Omnibus-Erhebung in der Schweiz zeigte, dass Frauen mit 44 % gegenüber Männern mit 38 % häufiger der Ansicht waren, dass sich das Klima in der Schweiz stark verändert. Frauen fühlten sich auch häufiger durch Luftverschmutzung und Strahlung gestört.
Die Sorgen, die sich mehr Frauen als Männer machen, haben weitreichende Konsequenzen. An Jade Sasser, Professorin für Gender- und Sexualitätsstudien an der University of California, Riverside, treten junge Frauen mit einer ganz grundlegenden Frage heran: „Wenn ich weiß, wie schlimm es jetzt ist, und ich weiß, dass es noch schlimmer wird, wie kann ich es dann moralisch rechtfertigen, ein Kind in dieser Zeit in die Welt zu setzen?“ Junge Männer hingegen neigen nicht dazu, ihre Angst vor dem Klimawandel bei der Entscheidung, Kinder zu bekommen, zu berücksichtigen.
Der Psychologe Prof. Christian Stöcker ist Professor für Digitale Kommunikation an der Hochschule für Angewandte Wissenschaften in Hamburg. Er hat ein Buch geschrieben. Der Titel: „Männer, die die Welt verbrennen – Der entscheidende Kampf um die Zukunft der Menschheit“. Gefragt nach dem Grund für den Fokus auf das Geschlecht, antwortet Stöcker: „Von Wladimir Putin über Donald Trump bis hin zu Rupert Murdoch und Mohammed bin Salman. Sie repräsentieren die sogenannte „Petromaskulinität“ und profitieren unverhältnismäßig stark vom Erfolg der fossilen Brennstoffe. Diese Bezeichnung stammt von der US-amerikanischen Politikwissenschaftlerin Cara Daggett, ist aber inzwischen in der Psychoanalyse gängig. Es gibt empirische Studien, die insbesondere in den USA ganz klar eine Korrelation zwischen dem männlichen Geschlecht und marktradikalen und sozialdarwinistischen Einstellungen nachweisen. Damit geht auch die Bereitschaft einher, Parteien zu wählen, die rechtsradikal sind und die Klimakrise in Zweifel ziehen. In diesen Gruppen werden fossile Brennstoffe oder Verbrennungsmotoren als Identitätsmerkmal begriffen. Und dieser Stolz, Lärm zu machen und den Planeten zu zerstören, ist fast ausschließlich unter Männern identitätsstiftend.”
Unterschiedliche Konsum-Muster
2018 ergab eine Umfrage des britischen Marktforschungsinstituts Mintel, dass 77 % der Frauen und nur 58 % der Männer recyceln. Frauen achten außerdem häufiger darauf, Wasser zu sparen und die Heizung auszuschalten, wenn sie das Haus verlassen.
Frauen greifen auch häufiger zu Bioprodukten. 2022 stellte die Umweltbewusstseinsstudie des Umweltbundesamtes zudem fest, dass jede siebte Frau aber nur jeder vierzehnte Mann vegetarisch lebt. Mehr als jede dritte Frau isst nie oder selten Fleisch, bei Männern nur jeder fünfte. Plastic Freedom und Package Free Shop, zwei beliebte Zero-Waste-Onlinehändler, legen Wert darauf, geschlechtsneutrales Marketing zu betreiben – doch beide geben an, dass etwa 90 % ihrer Kundschaft Frauen sind. 70 % der 131.000 Follower des Instagram-Accounts Commonsearth sind weiblich.
Ein Bereich, in dem Frauen auf größerem Fuß leben, ist der Konsum von Kleidung. So zeigte eine Analyse der Customer Experience-Plattform Voyado, die 410 Millionen 2021 getätigte Einkäufe auswertete, dass Frauen zwischen 26 und 35 Jahren 59 % mehr Online-Einkäufe tätigten als ihre männlichen Kollegen. Dabei gaben sie aber 47 % weniger aus.
Doch warum zerstören mehr Männer als Frauen unsere Lebensgrundlagen? Dieser Frage ist Alexandra Namyslowski in Teil 2 unserer Eco-Gender-Gap Artikel-Reihe nachgegangen.