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 | 22.07.2025

Die EU Ecodesign for Sustainable Products Regulation

 

ESPR

Ein Paradigmenwechsel mit Auswirkungen auf nahezu alle Unternehmen

EXECUTIVE SUMMARY:

  • Die Ecodesign for Sustainable Products Regulation gilt seit Juli 2024. Langfristig sind nahezu alle Produkte betroffen, die neu in der EU auf den Markt gebracht werden.
  • Ziel der Verordnung: Eine kreislauffähige EU-Wirtschaft – durch bessere Reparierbarkeit, Recyclingfähigkeit, Wiederverwendbarkeit und Langlebigkeit sowie Stärkung des Binnenmarkts.
  • Die Verordnung ist als Rahmenrechtsakt konzipiert, konkrete Anforderungen an Produkte folgen durch delegierte Rechtsakte.
  • Im April 2025 wurde ein fünfjähriger Arbeitsplan veröffentlicht, in dem jene Produktgruppen genannt sind, die in den kommenden Jahren in delegierten Rechtsakten vorrangig adressiert werden sollen.
  • Zentrale Elemente: Leistungs- und Informationsanforderungen (z. B. Rezyklat-Anteile, Haltbarkeit) und der Digitale Produktpass.
  • Die ESPR wird künftig zahlreiche Unternehmen betreffen. Schon heute können sie sich gezielt vorbereiten – etwa durch ein frühzeitiges Assessment ihrer Produkte und Unternehmensressourcen, den systematischen Aufbau von Datenverfügbarkeit sowie die schrittweise Umsetzung zirkulärer Produktdesignprinzipien.

 

Der Klimawandel prägt seit Jahren den öffentlichen Diskurs – zurecht. Doch zunehmend rückt eine weitere tiefgreifende Herausforderung in den Fokus: die lineare Wirtschaftsweise, die unser Produktions- und Konsummodell dominiert. Nach dem Prinzip „herstellen, nutzen, wegwerfen“ werden wertvolle Rohstoffe entnommen, in kurzlebige Produkte verwandelt und nach Gebrauch entsorgt. Die Folgen sind bekannt: schwindende Ressourcen, wachsende Abfallmengen und erhebliche Umweltbelastungen.

Genau hier setzt die EU an: Weil rund 80 % der Umweltauswirkungen eines Produkts bereits in der Designphase entstehen , fordert die EU-Verordnung Ecodesign for Sustainable Products Regulation (ESPR), dass Produkte von Beginn an nachhaltig gestaltet werden.

Die ESPR ist am 18. Juli 2024 in Kraft getreten und ersetzt die bisherige Ecodesign-Richtlinie 2009/125/EG, die sich ausschließlich auf energieverbrauchsrelevante Produkte beschränkte. Künftig gilt die Verordnung für fast alle physischen Produkte – mit wenigen Ausnahmen wie Lebensmitteln, Futtermitteln, Arzneimitteln und Fahrzeugen (separat geregelt, siehe: End-of-Life Vehicles Directive). Erstmals rücken dabei Kreislaufwirtschaftsprinzipien wie Haltbarkeit, Reparierbarkeit, Wiederverwendbarkeit und Recyclingfähigkeit in den Mittelpunkt verbindlicher Produktanforderungen.

Ein wichtiger Meilenstein folgte erst kürzlich: Am 16.04.2025 veröffentlichte das Ecodesign Forum den Arbeitsplan Ecodesign for Sustainable Products and Energy Labelling Working Plan 2025-2030, der konkrete nächste Schritte definiert.

 

Ziele der ESPR

Die ESPR soll die Nachhaltigkeit von Produkten umfassend verbessern – durch verbindliche Anforderungen an deren Gestaltung und veröffentlichte Informationen. Die Kernziele sind dabei folgende:

  • Produktnachhaltigkeit steigern: Produkte sollen langlebiger, energieeffizienter, reparierbar, wiederverwendbar und recyclingfähig werden. Gleichzeitig sollen CO₂- und Materialfußabdrücke verringert werden.
  • Steigerung der Transparenz: Verbesserte und standardisierte Nachhaltigkeitsinformationen sollen Verbraucher:innen, Unternehmen und öffentlichen Einrichtungen fundierte Entscheidungen ermöglichen. Auch Akteure entlang der Wertschöpfungskette – etwa Recycler – sollen von einem besseren Informationsfluss profitieren.
  • Binnenmarkt stärken: Ein einheitlicher Rechtsrahmen soll Compliance-Kosten reduzieren, da EU-weit dieselben Anforderungen gelten. Gleichzeitig will die ESPR Investitionen, Produktinnovationen und zirkuläre Geschäftsmodelle anregen – mit dem Ziel, die EU als Vorreitermarkt für Kreislaufwirtschaft zu etablieren.

Die EU-Kommission erwartet laut eigener Folgenabschätzung mehrere positive Wirkungen der ESPR, insbesondere:

  • Schaffung zahlreicher Arbeitsplätze, insbesondere in Bereichen wie Wiederaufbereitung, Wartung, Recycling und Reparatur
  • Verstärkte Angebote und Nachfrage nach Sekundärrohstoffen
  • Nachweislich nachhaltigere Kaufentscheidungen von Konsument:innen
  • Umweltvorteile, darunter eine spürbare Reduktion der Treibhausgasemissionen.

 

Regulatorische Umsetzung

Die ESPR ist als Rahmenrechtsakt konzipiert – das heißt: Konkrete Anforderungen für einzelne Produktgruppen oder übergreifende Kategorien werden künftig durch delegierte Rechtsakte („delegated acts“) der Europäischen Kommission festgelegt. Diese sind unmittelbar rechtsverbindlich, da sie nicht erneut durch das Parlament oder den Rat verabschiedet werden müssen.

Welche Produkte in naher Zukunft prioritär reguliert werden sollen, legt die EU-Kommission in Arbeitsplänen fest. Der erste dieser Pläne – der Ecodesign for Sustainable Products and Energy Labelling Working Plan 2025-2030 – wurde vom sogenannten Ecodesign Forum erarbeitet und am 16. April 2025 veröffentlicht. Er gilt für einen Zeitraum von fünf Jahren.

Laut Arbeitsplan sollen in den kommenden Jahren delegierte Rechtsakte für folgende priorisierte Produktgruppen bzw. -kategorien erlassen werden:

  • Eisen und Stahl
  • Aluminium
  • Textilien (Fokus Bekleidung)
  • Möbel
  • Reifen
  • Matratzen

Darüber hinaus sieht der Arbeitsplan vor, dass die Kommission horizontale Maßnahmen (also produktübergreifende Anforderungen, die für mehrere Produkte innerhalb einer Produktgruppe gelten) zur Reparierbarkeit von Produkten wie beispielsweise Unterhaltungselektronik und kleinen Haushaltsgeräten einführt. Dazu zählt auch ein Reparierbarkeits-Score für besonders relevante Produktgruppen. Auch verbindliche Anforderungen an die Recyclingfähigkeit von Elektro- und Elektronikgeräten sind vorgesehen.


Kerninhalte, die durch delegierte Rechtsakte konkretisiert werden sollen

Leistungs- und Informationsanforderungen

Die in den delegierten Rechtsakten festgelegten Produktanforderungen können Leistungsanforderungen, Informationsanforderungen oder eine Kombination aus beiden umfassen.

Leistungsanforderungen beziehen sich auf einen bestimmten Produktparameter und können Mindest- oder Höchstwerte für den Produktparameter oder Anforderungen an die funktionale Leistung eines Produkts umfassen. Beispiele sind eine Obergrenze für den Energieverbrauch, ein Mindestanteil an Rezyklaten oder ein Mindesteinsatz erneuerbarer Ressourcen.

Informationsanforderungen beziehen sich auf produktspezifische Angaben wie den CO₂-Fußabdruck, Hinweise zu Installation, Nutzung, Wartung und Reparatur sowie Informationen für Behandlungsanlagen zur Zerlegung, Wiederverwendung, Instandsetzung, dem Recycling oder der Entsorgung. In den Rechtsakten soll auch festgelegt werden, wie diese Informationen zu veröffentlichen sind – hierbei wird der Digitale Produktpass (siehe weiter unten) eine zentrale Rolle spielen, aber auch Produktetiketten oder Informationen auf der Webseite sind denkbar.

Der Arbeitsplan 2025 - 2030 sieht sowohl konkretisierbare Leistungs- als auch Informationsanforderungen für die priorisierten Produktgruppen vor.

Der Digitale Produktpass

Der Digitale Produktpass (Digital Product Passport, kurz DPP) ist ein zentrales Instrument der ESPR, dessen konkrete Ausgestaltung in den jeweiligen delegierten Rechtsakten festgelegt werden wird. Je nach Produktart können sowohl produktbezogene als auch komponentenspezifische Pässe (also für einzelne Teile eines Produkts) vorgesehen sein. Der DPP soll sämtliche Informationen bereitstellen, die in den jeweiligen Informationsanforderungen definiert sind, etwa zur Materialzusammensetzung, Reparierbarkeit, Recyclingfähigkeit oder zum CO₂-Fußabdruck. Darüber hinaus soll er die Rückverfolgbarkeit entlang der gesamten Wertschöpfungskette gewährleisten. Ziel ist ein standardisierter, bedarfsgerechter Datenzugang für Unternehmen, Verbraucher:innen und Behörden auf Basis einheitlicher EU-Standards.

Der Pass wird über einen maschinenlesbaren Datenträger direkt am Produkt zugänglich sein, die IT-Infrastruktur für den DPP mit harmonisierten Standards wird derzeit von CEN/CENELEC entwickelt und soll bis Ende 2025 bereitstehen. Eine Festlegung auf eine konkrete Technologie zur Darstellung (z. B. QR-Code oder NFC-Chip) gibt es bislang nicht.

Regelungen zur Vernichtung unverkaufter Produkte:

Um Abfälle zu reduzieren und Überproduktion entgegenzuwirken, sieht die ESPR Maßnahmen zur Vermeidung der Vernichtung unverkaufter Waren vor.

Ein zentrales Element ist das Vernichtungsverbot für unverkaufte Bekleidung, Bekleidungszubehör und Schuhe, das ab dem 19. Juli 2026 gelten soll. Noch im Laufe des Jahres 2025 sollen weitere delegierte Rechtsakte erlassen werden, welche die Informationspflichten und mögliche Ausnahmen regeln. Die EU-Kommission wird den Anwendungsbereich des Verbots künftig auf weitere Produktgruppen ausweiten. Für KMU ist eine gestaffelte Umsetzung vorgesehen, Kleinstunternehmen sind ausgenommen.

Zusätzlich sollen Unternehmen jährlich veröffentlichen, wie sie mit ihren unverkauften Produkten umgehen. Diese Informationen müssen gut auffindbar auf der Website oder im Lagebericht zugänglich sein. Für mittlere Unternehmen gilt die Berichtspflicht ab 2030. Kleinstunternehmen sind auch hiervon ausgenommen. Anzugeben sind:

  • Menge und Gewicht der unverkauften Verbraucherprodukte,
  • Gründe für die Entsorgung,
  • sowie Maßnahmen zur Vermeidung der Vernichtung.

Green Public Procurement

Eine weitere Säule der ESPR ist die Verpflichtung öffentlicher Stellen, bei der Beschaffung Produkte mit den höchsten Nachhaltigkeits- und Kreislaufstandards zu bevorzugen. Dies soll die Nachfrage nach nachhaltigen Produkten steigern, Investitionen anregen und sogenannte Lead Markets schaffen – also Vorreiter-Märkte, in denen sich nachhaltige Innovationen frühzeitig durchsetzen und international Maßstäbe setzen. Konkrete Vorgaben folgen in weiteren Rechtsakten.

 

Betroffenheit

Die ESPR gilt für alle Produkte, die erstmalig auf dem EU-Binnenmarkt in Verkehr gebracht oder in Betrieb genommen werden. Bestehende Produkte werden dabei nicht rückwirkend einbezogen.

Dabei müssen alle Hersteller, die Produkte in der EU verkaufen möchten, sicherstellen, dass ihre Produkte alle Anforderungen der Verordnung und der jeweiligen delegierten Rechtsakte erfüllen – einschließlich der Bereitstellung erforderlicher Informationen und, wenn vorgesehen, eines Digitalen Produktpasses. Sie sind außerdem verpflichtet, ein Konformitätsverfahren durchzuführen, eine Konformitätserklärung abzugeben und eine CE-Kennzeichnung anzubringen. Zudem müssen sie barrierefreie Kommunikationskanäle für Rückmeldungen und Beschwerden bereitstellen.

Importeure dürfen nur Produkte einführen, die den ESPR-Anforderungen genügen. Sie müssen prüfen, ob der Hersteller ein korrektes Konformitätsverfahren durchgeführt hat und alle notwendigen Unterlagen – einschließlich Gebrauchsanleitung und Digitalem Produktpass – verfügbar sind. Ihre Kontaktdaten müssen ebenfalls am Produkt, auf der Verpackung oder im Produktpass angegeben sein.

Vertreiber und Händler sind verpflichtet, beim Bereitstellen eines Produkts sicherzustellen, dass CE-Kennzeichnung, digitale Gebrauchsanleitung und alle relevanten Informationen vorliegen – in verständlicher Sprache und für Kund:innen leicht zugänglich, auch über den Digitalen Produktpass. Falls Etiketten nach ESPR vorgesehen sind, müssen diese gut sichtbar angebracht werden.

 

 

Zeithorizont

 

ESPR Zeitstrahl

Nach Inkrafttreten eines delegierten Rechtsakts gilt in der Regel eine Übergangsfrist von 18 Monaten für Unternehmen, gestaffelte Umsetzungen je Anforderung sind möglich.

 

Auswirkungen auf Unternehmen und Handlungsempfehlungen

Die ESPR wird mittel- bis langfristig große Wirkung entfalten – denn künftig werden nahezu alle Produkte betroffen sein, die neu im EU-Markt in Verkehr gebracht werden. Sie bringt nicht nur administrative Pflichten wie Datenerfassung und Compliance mit sich, sondern erfordert auch technische und gestalterische Veränderungen: neue Designansätze, Materialstrategien oder Produktionsprozesse können nötig werden.

Das bringt zunächst Investitionen und Aufwände mit sich, bietet aber auch Chancen: Wer frühzeitig handelt, kann Ressourceneffizienz steigern, Innovationen fördern und Wettbewerbsvorteile erzielen.

Auch wenn Details der Umsetzung noch offen sind, gibt es schon jetzt klare Schritte, wie Sie Ihr Unternehmen optimal auf die ESPR vorbereiten können:

  1. Produkt- und Unternehmens-Assessment: Analysieren Sie, wie Ihre Produkte hinsichtlich Langlebigkeit, Reparierbarkeit, Wiederverwendbarkeit und Recyclingfähigkeit abschneiden. Life Cycle Assessments (LCA) sind hier ein zentrales Tool. Des Weiteren sollten Sie sich fragen: Verfügt mein Unternehmen über das nötige Know-how und die Ressourcen, um den Anforderungen der ESPR gerecht zu werden?
  2. Datenverfügbarkeit sicherstellen: Die ESPR erfordert umfassende Produktdaten (z.  zu Materialien, Energieverbrauch, CO₂-Fußabdruck). Starten Sie eine Lückenanalyse und nutzen Sie Synergien mit bereits angelaufenen CSRD-Datensammlungsprozessen.
  3. Produktinnovation und Re-Design: Integrieren Sie Ökodesign-Prinzipien wie Langlebigkeit und Recyclingfähigkeit frühzeitig in die Produktentwicklung und F&E-Prozesse. Hier ist Kreativität gefragt.
  4. Neue Geschäftsmodelle entwickeln: Denken Sie innovativ. Retrofitting, Reparaturservices, Ersatzteilverkauf oder Product-as-a-Service können neue Umsatzquellen erschließen.
  5. Kooperationen ausbauen: Arbeiten Sie mit Lieferanten, Forschung, Hochschulen und Recyclingpartnern zusammen. Setzen Sie auf Daten- und Best-Practice-Sharing, um den Anforderungen des Digitalen Produktpasses rechtzeitig gerecht werden zu können. Ein gelungenes Best-Practice-Beispiel für die Potenziale solcher Kooperationen ist Catena X, eine branchenübergreifende Datenplattform für den sicheren Austausch von verschiedenen Daten aus der Lieferkette.

 

Tipp: Einen guten Einstieg zur tiefergehenden Vorbereitung auf die ESPR bietet das ESPR-Readiness Assessment des World Business Council for Sustainable Development.

Bei Fragen zur ESPR stehen wir Ihnen jederzeit gern zur Verfügung. Darüber hinaus unterstützen wir Sie bei der Analyse der Betroffenheit Ihres Unternehmens, der Anwendung des ESPR Readiness Assessment Tools des World Business Council sowie bei der Bewertung und Verbesserung Ihrer Datenverfügbarkeit – bei Bedarf auch in Zusammenarbeit mit spezialisierten Partnern. Gern geben wir Ihnen auch erste Impulse für die Umsetzung der Anforderungen.

 

 

Ihre Ansprechpartnerin:

Christina Riediger

Christina Riediger

Analystin

Telefon: +49 151 599 33 664
Email: christina.riediger@fors.earth